PM: Über 80 Personen stundenlang in einem Hörsaal – Präsenzprüfungen trotz Corona

Konferenz Thüringer Studierendenschaften fordert Schnelltests vor jeder Präsenzklausur

Die Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie wurden in Thüringen kürzlich um eine weitere Woche verlängert. Das oberste Gebot lautet seit Monaten: Kontakte soweit es geht einschränken und Begegnungen auf das absolut Nötigste reduzieren. Anders sehen das einige Hochschulen und das Landesprüfungsamt in Bezug auf die gerade begonnenen Prüfungen, unter anderem zum Staatsexamen. Die Konferenz Thüringer Studierendenschaften (KTS) fordert deshalb, die Anzahl der geplanten Präsenzprüfungen weiter zu reduzieren und dort, wo keine andere Form vorstellbar ist, die Schutzmaßnahmen zu erhöhen, vor allem durch Schnelltests für alle Beteiligten vor Beginn der jeweiligen Prüfung.


Seit spätestens Anfang Dezember absolvieren die Thüringer Studierenden wieder ein überwiegend reines Online-Semester. Die Maßnahmen zur Kontaktreduktion verlangen Studierenden und Lehrenden einen Mehraufwand ab, sie sind jedoch in der aktuellen pandemischen Situation alternativlos. Anders verhält es sich offenbar mit den anstehenden Prüfungen. Hier planen sechs von zehn Thüringer Hochschulen teilweise in größerem Umfang Präsenzprüfungen. Bei manchen davon handelt es sich um praktische Prüfungen, die Material vor Ort benötigen und deshalb nicht online durchführbar sind – die jedoch im Gegenzug oftmals in Kleinstgruppen oder 1:1 abgenommen werden können und selten länger als 30 Minuten dauern.

Eine Ausnahme stellen unter anderem die Prüfungen des Staatsexamens dar. Diese sind als schriftliche Präsenz-Klausuren konzipiert und dauern vier Stunden. Verantwortlich für die Durchführung ist nicht die Friedrich-Schiller-Universität Jena (FSU), an der die angehenden Lehrer*innen studieren, sondern das Landesprüfungsamt. Dieses hat die Prüfungsabläufe konzipiert und hält an der bisherigen Konzeption fest. In den kommenden fünf Wochen schreiben über 100 Lehramtsanwärter*innen zwei oder mehr Prüfungen mit wechselndem Personenkreis und treffen so auf insgesamt rund 370 andere Prüfungskandidat*innen.

Auch in anderen Studiengängen und an anderen Hochschulen werden noch Klausuren in Präsenz geplant – eine Schutzstrategie abseits von Maskenpflicht und Abstand gibt es bisher nicht. So können die Studierenden das Virus potenziell nicht nur in einer Prüfung „verteilen“, sondern auch noch von einer in die andere Prüfung tragen. Freiwillige Quarantäne vor einer Prüfung ist häufig keine Option: Wer mehrere Klausuren schreibt, würde somit wegen einer Prüfung den Rest der Klausuren verpassen. Eine behördliche Quarantäne-Anordnung kann auch dazu führen, dass an Präsenzprüfungen flächendeckend nicht teilgenommen werden kann. Falls ein Corona-Fall in einem Prüfungssaal auftritt, könnte dies – je nach Entscheidung der Gesundheitsämter – vielen Studierenden das Ablegen weiterer Prüfungen unmöglich machen.

„Diese Problematik ist seit mehreren Wochen bekannt. Die Hochschulen kennen die Teilnahmezahlen der einzelnen Lehrveranstaltungen und die Anmeldezahlen zu den Prüfungen. Wir kritisieren scharf, dass dennoch nicht überall auf Alternativen eingegangen wird“, umreißt Scania Sofie Steger, studentische Senatorin der FSU, das Problem. Die Durchführung der Prüfungen unter den derzeitigen Vorgaben hält die KTS für unverantwortlich. „Es ist blanker Hohn, dass nun ernsthaft damit argumentiert wird, dass die jetzige Prüfungskohorte durch Online- oder Take-Home-Klausuren nicht bevorteilt werden dürfe. Die rechtliche Möglichkeit, die Prüfungen in Präsenz abhalten zu können, sollte nicht das einzige Kriterium sein. Mit dem aktuell geplanten Ablauf provoziert man einen riesigen Infektionsherd und bringt unnötigerweise zahlreiche Studierende, Lehrende und deren Angehörige in Gefahr“, kritisiert Hannah Schneider, Sprecherin der KTS, das Vorhaben.

Mehrere Stellen haben bereits Forderungen an die Hochschulen und das Landesprüfungsamt formuliert, denen sich die KTS an dieser Stelle nachdrücklich anschließt: „Wo irgend möglich soll auf Präsenzprüfungen verzichtet werden. Ist dies aus guten Gründen nicht möglich, müssen Corona-Schnelltests bei allen Prüfer*innen und Studierenden vor jeder einzelnen Prüfung durchgeführt werden. Außerdem müssen die Teilnehmer*innen auch bei augenscheinlich ausreichenden Platzkapazitäten auf mehrere Räume verteilt werden und dabei darauf geachtet werden, dass soweit möglich die gleichen Studierenden ihre Prüfungen zusammen ablegen, um unnötige Begegnungen zwischen verschiedenen Studierenden und Prüfer*innen weiter zu reduzieren. Die kostenlose Bereitstellung von FFP2-Masken für alle an der jeweiligen Prüfung Beteiligten sollte selbstverständlich sein“, fasst Hannah Schneider die Forderungen zusammen.

Zudem sollten angemessene Nachteilsausgleiche geschaffen werden: Die dringend empfohlene FFP2-Maske soll gemäß DGUV-Regel 112-190 für maximal 75 Minuten am Stück getragen werden. Dies wird während der Prüfungen meist deutlich überschritten. Hier sollten nach Möglichkeit Prüfungsdauer und -umfang angepasst werden. Zusätzlich müssen Ersatztermine für die Studierenden, die durch eine Quarantäne-Anordnung oder einen (falsch-)positiven Schnelltest nicht an den Prüfungen teilnehmen können, noch in diesem oder zu Beginn des Folgesemesters geschaffen werden. Damit sollen weitere Verzögerungen in der Studiendauer präventiv verhindert werden.

„Ohne eine Teststrategie im Vorfeld der jeweiligen Prüfung und der damit einhergehenden größtmöglichen Sicherstellung, dass sich keine corona-positiven Personen mehrere Stunden lang in einem Prüfungsraum aufhalten, halten wir die Prüfungen nicht für vertretbar“, betont Martin Schmidt, Sprecher der KTS. Das TMBJS, an das das Landesprüfungsamt angegliedert ist, und die Thüringer Hochschulen werden aufgefordert, schnellstmöglich den Forderungen nachzukommen.